Jülicher Schlosskonzerte©
Klassische Kammermusik im historischen Ambiente - seit 1979
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Sonderkonzert
am Karfreitag, 18. April 2014 Tonaufnahme des Konzerts verfügbar - klicken Sie [hier...]
Paul Gauguin: Der Gelbe Christus (1889)
Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze
von Joseph Haydn (1732 - 1809) in der Fassung für Streichquartett und Sprecher (Hob. XX 1 B) (1787)
um 18:00 Uhr in der Schlosskapelle der Zitadelle Jülich
Dauer ca. 75 Minuten, keine Pause.
Ausführende:
Hans Otto Horch, 1. Violine Susanne Trinkaus, 2. Violine Jalkin Aksoy, Viola Arabella Ristenpart, Violoncello Bernhard Wallerius, Sprecher
Texte: Walter Jens (1923 - 2013)
Zu den Interpreten
Hans Otto Horch war Mitglied des Symphonieorchester des Südwestfunks Baden Baden und des Aachener Kammerorchesters. Schon früh spezialisierte er sich auf Kammermusik. Mit dem Leonhardt-Quartett, das mehrfach an Meisterkursen mit dem führenden tschechischen Vlach-Quartett teilnahm, und mit seinem Tübinger Klaviertrio gewann er erste Preise beim Internationalen Kammermusikwettbewerb in Colmar. Viele Jahre leitete er das Aachener Kammermusikensemble, mit dem er erfolgreich auch als Solist konzertierte. Susanne Trinkaus erhielt ihre künstlerische Ausbildung u.a. in der Meisterklasse Max Rostals und des Amadeus Quartetts an der Musikhochschule Köln. Als Geigerin des "Robert Schumann Ensembles" für Klavier-Kammermusik und des "Ensemble Carolina" konzertierte sie u.a. in Spanien, Portugal, Lettland, Ukraine, USA und Australien und erarbeitete sich ein vielseitiges Repertoire in den entsprechenden Musikgattungen. Seit vielen Jahren ist sie Konzertmeisterin und Solistin mehrerer Kammerorchesterformationen im Raum Düren-Köln. Auch als Musikpädagogin hat sie in der Region einen ausgezeichneten Ruf. Jalkin Aksoy wurde 1947 in Larnaca auf Zypern geboren. 1971 erhielt er sein Diplom als Schüler von Professor Jules Higny am Staatlichen Konservatorium Ankara. Danach arbeitete er als Bratschist als Mitglied des Sinfonieorchesters Ankara und an der Staatlichen Oper Istanbul. Erste Eindrücke vom deutschen Musikbetrieb in Weikersheim 1970 und 1971 als Bratschist im Akademie-Orchester der "Jeunesse Musicale" unter der Leitung von Professor Brenbacher und als Teilnehmer der Kammermusik-Kurse von Conrad von der Goltz. Nach einer dreijährigen Weiterbildung an der Musikhochschule Köln und zwischenzeitlichem Engagement als stellvertretender Solo-Bratschist des Siegerland-Orchesters ist er seit 1980 Mitglied des WDR-Sinfonieorchesters. Arabella Ristenpart studierte u.a. bei Claus Kanngiesser, Zara Nelsova und Anner Bylsma sowie beim Amadeus-Quartett. Sie arbeitete mehrere Jahre als Solocellistin in verschiedenen Orchestern. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt der Kammermusik in verschiedenen Besetzungen sowie der Musik des 20. Jahrhunderts. In Sonatenabenden mit Werken von der Klassik bis zur Moderne arbeitet sie mit der Pianistin Elnara Ismailova zusammen. Daneben stehen Programme für Violoncello solo. Seit 2006 pflegen ihr Ehemann Bernhard Wallerius als Rezitator und sie die Veranstaltungsform „Cellyrics, Musik und Text im Dialog“. Bernhard Wallerius studierte Schulmusik, Geschichte, Musikwissenschaft und Philosophie. Nach wissenschaftlicher Mitarbeit an der Universität Saarbrücken arbeitete er als Studienrat im Gymnasium und war u.a. an der Einrichtung eines Gymnasialzweiges mit musikalischem Schwerpunkt beteiligt. Seit 1990 ist Wallerius als Musikredakteur beim Westdeutschen Rundfunk mit den Schwerpunkten Kammermusik und Nachwuchsförderung tätig.
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Die "Sieben Worte" wurden mehrfach vertont. Heinrich Schütz komponierte 1645 Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz (SWV 478). Auch der Italiener Saverio Mercadante hat sich von den letzten Worten in seinem Werk inspirieren lassen. Weitere Kompositionen stammen unter anderem von August Neithardt, César Franck, Albert Becker, Charles Gounod, Sofia Gubaidulina, Eberhard Wenzel und Ruth Zechlin. Am bekanntesten ist jedoch das Orchesterwerk Haydns "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze", das als Auftragskomposition für die Domherren von Cádiz entstand. Deren Auftrag lautete, sieben langsame Sätze für jedes der letzten Worte Jesu zu komponieren. Der Bischof sollte auf die Kanzel steigen, ein Wort vorlesen, es auslegen und sich dann vor dem Altar zum Gebet niederknien, währenddessen sollte ein meditatives Musikstück erklingen. "Es war gewiß eine der schwersten Aufgaben, ohne untergelegten Text, aus freyer Phantasie, sieben Adagios auf einander folgen zu lassen, die den Zuhörer nicht ermüden, und in ihm alle Empfindungen wecken sollten, welche im Sinne eines jeden von dem sterbenden Erlöser ausgesprochenen Wortes lagen". Haydn erklärte so auch öfters diese Arbeit für eine seiner gelungensten. 1785 stellte Haydn das Werk fertig. Er gab dem Werk den Untertitel "Sieben Sonaten mit einer Einleitung und am Schluss ein Erdbeben". 1787 brachte Haydn eine Version für Streichquartett heraus, wahrscheinlich um die Verbreitung des Werkes zu erhöhen. 1794 hörte Haydn in Passau eine Fassung als Oratorium, die der dortige erzbischöfliche Kapellmeister Joseph Friebert erarbeitet hatte.
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Wie es scheint, ist Anfang des 18. Jahrhunderts eine außerliturgische Andachtsform am Karfreitag in Lima entstanden. Der Brauch verbreitete sich über die spanisch sprechenden Länder in Amerika bis nach Europa. In Italien, wo Papst Pius VI. 1789 ihren Gebrauch erlaubte, hieß sie Tre ore di agonia. Im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war diese Andachtsform als Three-hours service vor allem im englischsprachigen Raum auch in protestantischen Denominationen beliebt. Da es sich um keine Liturgie im strengen Sinne handelte, wurden dabei (entgegen den Regeln für Gottesdienste am Karfreitag) auch Instrumente und mitunter die Orgel verwendet. 1687 haben sich zwei Erdplatten gegeneinander verschoben, die peruanische Küste wurde von einem Tsunami mit zehn Meter hohen Wellen überschwemmt und die Städte wurden von einem Erdbeben der Stärke 8 verwüstet. In der Stadt Lima, seit ihrer Gründung die Zentrale der spanischen Kolonisation, war deren geistlicher Arm, die kirchliche Inquisition, seit jeher im Abwehrkampf gegen mächtige heidnische Riten befangen. Sie war bedacht, diesen christliche Äquivalente entgegen zu setzen. So kam der Jesuitenpater Alonso Mesia auf den Gedanken, der leidenden Bevölkerung die viel größeren Leiden des Herrn Jesus Christus vorzuhalten. Er rief die Gemeinde am Karfreitag um 12 Uhr, der Zeit, zu der Christus ans Kreuz geschlagen wurde, zusammen, um mit ihr gemeinsam auf 3 Uhr zu warten, die Todesstunde des Herrn. Als "Tres horas" eroberte der theatralisch ausgestaltete Brauch in der Folge die gesamte spanisch sprechende Welt, als "The devotion of three hours" hielt sie Einzug in die anglikanische Kirche. Für deren Bedarf haben unter anderen Charles Gounod und Théodore Dubois ihre Oratorien über die sieben letzten Worte geschrieben; die Musik des letzteren ist noch in den 1870er Jahren in der Jesuitenkirche zur unbefleckten Empfängnis in der Londoner Farm Street jährlich aufgeführt worden. Joseph Haydn jedoch hat seinen Auftrag aus Cádiz erhalten. Schon 1783 hatte Haydn für den Herzog von Alba und die Herzogin von Benavente Osuna Kompositionen geliefert, und so ist es verständlich, dass das Domkapitel für die Ausgestaltung der Tres Horas in der Höhlenkirche Santa Cueva dem Hochadel nacheiferte und den hochberühmten Haydn damit beauftragte, eine neue Musik dazu zu schreiben. So kam es zur Komposition der "Musica instrumentale sopra le siette ultime parole del nostro Redentore in croce". Die Szenerie der Aufführung beschreibt Haydn selbst seinem ersten Biographen: Schwarz verhangene Wände, die Frauen in der Mitte, die Männer an der Seite der Kirche, der Zelebrant, der zu einer Introduktion einzieht, Wort für Wort verliest, darüber predigt und dann zu einer zehnminütigen Kontemplation niedersinkt: Das ist der Punkt, wo die Musik gebraucht wird, sieben kontemplative Stücke und am Schluss in Erinnerung an die Entstehung des Ritus ein "Terremoto", eine musikalische Evokatikon des Erdbebens.
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Eine Musik über Worte, ohne Worte zu gebrauchen: Haydn selbst hat dies als eine Schwierigkeit bezeichnet. Und so ist die Melodik oft aus einer gedachten Textdeklamation geboren. In der ersten Sonata lassen sich die Worte "Pater, Pater, dimitte illis", in der zweiten Sonata die Worte "Hodie mecum" zur Melodie der 1. Violine mitdenken. Aber überlagert ist diese Deklamation von rein instrumentalen Techniken, von musikalischen Figuren und deren Verarbeitung, von einem Tonartenplan, der anders als in einer rein instrumentalen Suite nicht dem Quintenzirkel folgt, sondern den traditionellen Ausdruckswerten der Tonarten. Das gilt für die Introduzione, die in der für eine Suiten-Ouvertüre traditionellen Tonart d-moll steht, das gilt für das B-Dur der ersten Sonate in der Tonart der "Clementia", der Milde, des "Dimitte illis". Auch das c-moll des "Hodie" folgt einer alten Tradition: es ermöglicht den wirkungsvollen Kontrast zur Aufhellung ins strahlende C-Dur der Paradiesverheißung. Und so geht es weiter: das E-Dur der empfindsamen Arien wird gefolgt vom f-moll der Verzweiflung. Das "Consummatus" kann nur in der tragischen Tonart g-moll stehen, die sich wiederum, dem Topos des "per aspera ad astra" folgend, nach G-Dur aufhellt. Die Sprache des Werks ist also eine immanent musikalische: Erst die Orchesterfassung, dann das Streichquartett. - Das textierte Oratorium mit Chor entstand erst später, auf Anregung eines Passauer Komponisten-Kollegen. Die der Musik vorangehenden Meditationen könnten natürlich vom Erfinder der Tres Horas, dem Pater Alonso Mesia stammen, sie sind erhalten. Aber statt ihrer werden die „Zeitgenössischen Betrachtungen zu den sieben letzten Worten unseres Erlösers am Kreuze von Joseph Haydn“ von Walter Jens gelesen. (Bernhard Wallerius)
Walter Jens, 1923 in Hamburg geboren, studierte klassische Philologie und Germanistik, promovierte 1944 in Freiburg und habilitierte sich 1949 in Tübingen. Bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1988 hielt er dort den einzigen deutschen Lehrstuhl für Rhetorik inne. Von 1989 bis 1997 war er Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Er erhielt die Ehrendoktorwürden der Universitäten Athen, Augsburg, Jena und Stockholm sowie zahlreiche Auszeichnungen für sein literarisches Werk. Er starb im Juni 2013 im Alter von 90 Jahren. Der die Passion Christi kommentierende Text von Walter Jens ist eine eindringliche Mahnung zur Achtung der Menschenwürde, die auf Golgatha nicht zuletzt, sondern in den folgenden zwei Jahrtausenden nicht nur durch die Inquisitoren, Hexenjäger, Nazischergen und deren extremistische Nachfahren bis heute fast überall auf der Welt mit Füßen getreten wurden und werden.
L'Introduzione (Maestoso ed adagio) ***** Sonata I (Largo) "Pater, dimitte illis, non enim sciunt, quid faciunt" (Vater, verzeih ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun) ***** Sonata II (Grave e cantabile) "Amen dico tibi: hodie mecum eris in paradiso" (Heute noch wirst Du bei mir im Paradies sein) ***** Sonata III (Grave) "Mulier, ecce filius tuus, et tu, ecce mater tua!" (Frau, siehe hier Deinen Sohn, und du, siehe deine Mutter!) ***** Sonata IV (Largo) "Eli, Eli, lama asabthani?" (Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?) ***** Sonata V (Adagio) "Sitio" (mich dürstet!) ***** Sonata VI (Lento) "Consummatum est!" (Es ist vollbracht) ***** Sonata VII (Largo) "Pater! In manus tuas commendo spiritum meum" (Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist) ***** il terremoto Das Erdbeben (Presto e con tutta la forza)
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