Jülicher Schlosskonzerte©
Klassische Kammermusik im historischen Ambiente - seit 1979
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25. September 2016 Cello & Klavier
István Várdai, Violoncello & Zoltán Fejérvári, Klavier
Einst war István Várdai selbst Student an der renommierten Kronberg Academy bei Frans Helmerson. Seit 2013 ist der junge ungarische Cellist dort Lehrbeauftragter, sammelte bereits vielfach internationale Konzerterfahrung und konnte sich 2014 als glücklicher Gewinner des ARD-Musikwettbewerbs feiern lassen. Gemeinsam mit seinem Kammermusikpartner Zoltán Fejérvári eröffnet er die neue Konzertsaison in Jülich. Der vielfach preisgekrönte Pianist ist auch in seiner Heimat Ungarn ein gefragter Solist, wo er regelmäßig mit dem Budapest Festival Orchestra oder der ungarischen Nationalphilharmonie auftritt.
Die Interpreten
István Várdai, geboren 1985 in Pécs (Ungarn), wurde im Alter von zwölf Jahren an der Franz Liszt Musikakademie Budapest in die Klasse der „außergewöhnlich Begabten" bei Prof. László Mezö aufgenommen. 2005 wechselte er zu Reinhard Latzko an die Wiener Musikakademie. Darüber hinaus besuchte er Meisterkurse von Natalia Gutman, János Starker und Natalia Shakhovskaja. 2010 wurde ihm während der Cello Meisterkurse der Kronberg Academy das Boris Pergamenschikow Stipendium zugesprochen. István Várdai ist Preisträger zahlreicher internationaler Wettbewerbe. Bereits drei Mal gewann er den Internationalen David Popper Musikwettbewerb Budapest. 2006 erhielt er einen Spezialpreis beim Grand Prix Emanuel Feuermann in Berlin sowie den ersten Preis des Internationalen Johannes-Brahms-Wettbewerbs in Pörtschach (Österreich). Außerdem ist er Preisträger des Internationalen Tchaikovsky Wettbewerbs 2007 sowie des Internationalen Musikwettbewerbs Genf 2008. István Várdai´s Debüt-CD, für die er Elgars Cellokonzert, Prokofievs Sonate und Janáčeks Pohádka mit dem Orchestre de Chambre de Genève unter der Leitung von Simon Gaudenz aufgenommen hat, erschien im Oktober 2009 (Nascor). 2010 nahm er das Cellokonzert C-Dur von Johann Baptist Vanhal mit der Camerata Schweiz unter der Leitung von Howard Griffith auf und 2013 spielte er für eine Aufnahme mit Walter Delahunt verschiedene Variationen ein. Seit seinem Orchesterdebüt 1998 in Den Haag trat István Várdai mit international renommierten Orchestern auf. Er arbeitete unter anderem mit Dirigenten wie Ádám Fischer, Howard Griffith, Zoltán Kocsis, Josep Pons, Nicolás Pasquet, Gábor Takács-Nagy, Marcus Bosch, Roman Kofman und Simon Gaudenz zusammen. 2010 wirkte István Várdai bei Chamber Music Connects the World als Kammermusikpartner von Gidon Kremer, Tatjana Grindenko, Yuri Bashmet und András Schiff mit. István Várdai spielt ein früheres Cello von Heinrich Schiff, eine Montagnana aus dem Jahre 1720.
Zoltán Fejérvári, 1986 in Budapest geboren, nahm mit 8 Jahren ersten Musikunterricht, in den Jahren von 2000 bis 2005 studierte der Pianist an der Béla Bartók Musikhochschule in Ungarn und anschließend an der Escuela Superior de Música Madrid bei Dmitri Baskirov und Claudio Martinez Mehner. Bevor er an die Kronberg Academy kam, studierte er zudem an der Franz-Liszt-Musikakademie in Budapest. Währenddessen trat er bei zahlreichen Festivals wie Tiszadob Piano Festival oder dem Lizstomania Festival in Châteauroux. 2010 gewann er den 2. Preis beim Manchester International Concerto Competition for Young Pianists. Als Solist konzertierte er zudem mit zahlreichen Orchestern Ungarns, wie der Ungarischen Nationalphilharmonie. Er absolvierte Meisterkurse unter anderem in Komposition bei György Kurtág sowie bei den Pianisten Menahem Pressler und Sir Andás Schiff. 2006 lud ihn der Pianist und Dirigent Zoltán Kocsis ein, als Solist mit der ungarischen Nationalphilharmonie Beethovens viertes Klavierkonzert in G-Dur aufzuführen.
Das Programm
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 - 1847)
Igor Strawinsky (1882 - 1972)
(bearbeitet für Violoncello und Klavier)
Introduzione. Allegro moderato Aria. Allegro alla breve, attacca Tarantella. Vivace Minuetto e Finale. Moderato - Molto vivace Scherzino. Presto alla breve Minuetto. Moderato - Finale. Molto vivace
(1882 - 1967)
― PAUSE ―
Johannes Brahms (1833 - 1897)
Sonate Nr. 2, F-Dur, op. 99
Allegro vivace Adagio affettuoso Allegro passionato Allegro molto
Die Künstler bedankten sich mit dem "Abendlied" von Robert Schumann
Zum Programm
Das Cello als Freund und Gefährte In der Alten Musik war das Violoncello nur als Continuo-Instrument gebräuchlich. Erst im Barock wurde es von Johann Sebastian Bach und Antonio Vivaldi als Solo-Instrument entdeckt. Joseph Haydn und vor allem der Italiener Luigi Boccherini waren die Pioniere des klassischen Cellos. Um 1800 erlebte es einen rapiden Aufschwung, da führende Virtuosen wie der Franzose Jean-Louis Duport die Grundsätze der Finger- und Bogentechnik erweiterten, zugleich expandierte der Instrumentenbau. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde etwa der Dorn oder Stachel eingeführt, der dem Cello Halt gab und seine Resonanz vergrößerte. Besonders die warme Mittellage begeisterte die Romantiker. Dort kamen ihre Kantilenen besonders schön zur Geltung. Großer Wohlklang trat zur Virtuosität. Der sonore Cello-Ton versetzte die Hörer in einen wahren Rauschzustand. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass der Spieler sein Instrument ganz in die Arme nimmt. So entsteht eine sehr innige Beziehung. Für den berühmten spanischen Cellisten Pablo Casals (1876 -1973) verbreitete der Cello-Klang bereits bei der ersten Begegnung »etwas so Zartes, Schönes, Menschliches, ja so Menschliches an sich«, dass der Junge dieses Instrument sofort spielen wollte. Es wurde ihm für über 80 Jahre ein »Freund und Lebensgefährte«, schwärmte Casals. Auch Felix Mendelssohn Bartholdy war von dem Instrument angetan, zumal sein jüngerer Bruder Paul (1812 -1874) ein begabter Amateur-Cellist war. Zwei große Cello-Sonaten hat Mendelssohn zwischen 1838 und 1843 komponiert und nutzte darin den kantablen wie leidenschaftlichen Charakter des Instruments gekonnt aus. Sein Erstling auf diesem Gebiet sind allerdings die Variations concertantes für Violoncello und Klavier D-Dur op. 17 von 1829. Der damals gerade 20-jährige Komponist dachte bei der Ausarbeitung natürlich an seinen Bruder Paul, dem dieses kurze Werk auch gewidmet ist. Das liedhafte Thema wird in acht Variationen wirkungsvoll gesteigert und figurativ umspielt, wobei die beiden Instrumente in einen lebendigen Dialog treten. Eine gewisse Dominanz des Klavierparts ist allerdings bemerkbar. Als Vorbild wurden die beiden populären Variationen über bekannte Themen aus Mozarts »Die Zauberflöte« von Ludwig van Beethoven angeführt. Doch der junge Mendelssohn hat einen sehr eigenen Ton, treibt Cello und Klavier auch mal glutvoll voran und bindet bis zum ruhigen Schluss delikate Klangmomente ein. Das facettenreiche »romantische« Cello hat bereits hier seinen großen Auftritt. Mendelssohn und sein Bruder spielten das Werk vermutlich erstmals bei den so genannten Sonntagsmusiken im Berliner Elternhaus. Mit seinen Balletten »Der Feuervogel« (1910) und »Le Sacre du printemps« (1913) erzielte Igor Strawinsky in Paris spektakuläre Erfolge. Er galt als Skandalkomponist, der die Musik revolutionierte. In den 1920er Jahren wandte er sich aber einer mehr neoklassizistischen Tonsprache zu und beschäftigte sich sowohl mit dem griechischen Altertum als auch mit der italienischen Musik des frühen 18. Jahrhunderts. Ein Ergebnis dieser Begeisterung war bereits 1920 das Ballett »Pulcinella« nach Musik von Giovanni Battista Pergolesi. Daraus entstand die Suite italienne, die mehrere Sätze aus dem Ballett zu einer wirkungsvollen Konzertfolge zusammenfasst. Eine erste Fassung für Violine und Klavier entstand 1925 als »Suite d'apres des themes, fragments et morceaux de Giambattista Pergolesi«. 1933 wurde sie unter Mitwirkung des befreundeten polnischen Geigers Samuel Dushkin, der auch Strawinskys Violinkonzert (1931) uraufgeführt hatte, erweitert. Der Komponist am Klavier und der Geiger konzertierten damals häufig miteinander, dafür arrangierte Strawinsky zahlreiche Ballettsätze für die beiden Instrumente Die heute gespielte Cellofassung entstand nahezu zeitlich 1932 für den ukrainischen Cellisten Gregor Piatigorsky (1903 -1976), der lange in Deutschland lebte, dann aber vor den Nazis in die USA floh. Sie weicht von der sechssätzigen Violinfassung in mehreren Details ab und gruppiert nur fünf Sätze um die zentrale Aria. Piatigorsky half bei der Einrichtung des Celloparts, wofür die Cellisten ihm zweifellos zu großem Dank verpflichtet sind.
Seine Musik sei ganz im »nationalen Boden beheimatet«, erklärte der ungarische Komponist Zoltán Kodály. Als »Wurzeln« betrachtete er die Volks- und Bauernmusik seines Landes. Ohne diese Essenz wäre für ihn Kunst überhaupt nicht möglich. Es war eine so andere Folklore als etwa bei Franz Liszt oder in Johannes Brahms' Ungarischen Tänzen, älter, authentischer, weniger von modischen »Zigeunerweisen« des 19. Jahrhunderts beeinflusst. 1905 unternahm der junge Kodály seine erste Forschungsreise ins ungarische Hinterland, um Material für seine an der Universität Budapest erstellte Dissertation »Der Strophenbau des ungarischen Volksliedes« zu sammeln. Später war ihm der Kollege Bela Bartók, Kommilitone an der Franz-Liszt-Musikakademie Budapest, ein treuer Partner bei der Suche nach unbekannter Folklore. Auf der Basis dieser Entdeckungen entwickelte Kodály seinen eigenen Musikstil, der von der besonderen Tonalität und irregulären Rhythmik der Volksmusik beeinflusst ist und sich von der Spätromantik löst. In den von 1905 bis 1920 entstandenen Kammermusikwerken perfektionierte Kodály seine Musiksprache. Dazu gehört neben dem ersten Streichquartett op. 2, dem Duo für Violine und Cello op. 7 sowie der Cello-Solosonate op. 8 auch die 1910 abgeschlossene Sonate für Violoncello und Klavier op. 4. Er war mit dem ersten Satz jedoch so unzufrieden, dass er empfahl, ihn bei Aufführungen einfach wegzulassen. Für die geplante Publikation 1922 setzte er sich noch einmal ans Werk und komponierte den Kopfsatz neu. Doch auch dieses Resultat befriedigte ihn nicht. Der verwaiste Einzelsatz tauchte erst 1969 wieder auf, als der weißrussische Cellist, Professor des Moskauer Konservatoriums und Musikforscher Lev Ginzburg den Satz publizierte. Seither ist er als Sonatina für Violoncello und Klavier bekannt. Die Musik verströmt eine impressionistische und teils sehr moderne Aura. Das Klavier umgarnt den lyrischen Cellopart in diesem fantasieartigen Satz mit einer Fülle an Begleitfiguren und farbigen Harmonien. Die Melodik ist stark von ungarischen Themen geprägt, strahlt darüber hinaus jedoch eine am Franzosen Claude Debussy geschulte Exotik aus. Bereits 1865 begeisterte Johannes Brahms die Musikwelt mit seiner elegischen Sonate e-Moll für Violoncello und Klavier op. 38, die sich rasch als Standardwerk etablierte. 21 Jahre später arbeitete er am Thuner See in der Schweiz an einem neuen Werk für diese Besetzung. Diesmal dachte er an einen ausgezeichneten Interpreten, den deutschen Cellisten Robert Hausmann (1852 - 1909). Dieser war ein gefeierter Solist und Professor an der Königlichen Berliner Musikhochschule; bereits der Komponist Max Bruch hatte ihm 1880 sein Cellokonzert »Kol Nidrei« gewidmet. Die beiden Cello-Sonaten von Mendelssohn und dessen »Variations concertantes« gehörten übrigens zu Hausmanns absoluten Favoriten. Die Uraufführung von Brahms' zweiter Sonate für Klavier und Violoncello op. 99 spielte Hausmann am 24. November 1886 im kleinen Musikvereinssaal Wien, mit dem Komponisten am Flügel. Im Dezember führte Brahms das Werk außerdem in Budapest gemeinsam mit dem österreichischen Cellisten David Popper auf. Die Sonate sei »klar und kühn im Aufbau, edel und anheimelnd im Themenmaterial, in den leidenschaftlichen Sätzen straff gezügelt, im Finale voll frohen Behagens«, urteilte anschließend der Kritiker Bernhard Vogel in der Neuen Zeitschrift für Musik (1887). Leidenschaftlich der Beginn: Über dem Tremolo-Teppich des Klaviers erhebt sich der Solist mit rhetorischer Kraft, wobei die großen Intervallsprünge und die Kurzatmigkeit der Thematik sofort ins Ohr fallen. Den balladesken und dunkelleidenschaftlichen Ton dieses Satzes liebte Brahms besonders. Kein Wunder, dass frühe Musikologen wie der Brahms-Spezialist Alfred von Ehrmann dessen Dramatik eigens hervorhoben. Er erblickte in diesem Anfangssatz fast ein »Rezitativ der alten Oper« und deutete den Verlauf: »Ein heftiger Bariton ruft etwas wie 'Verrat! Verrat!< und man könnte das Arioso ganz gut weiter textieren, doch aus dem Sänger wird doch wieder ein Instrument, aus dem Bariton eine Stimme von erweitertem Umfang und vergrößerter Beweglichkeit, aus der Opernszene richtige Kammermusik.« Die von Ehrmann aufgedeckte Nähe zur Vokalmusik mag in den Hörgewohnheiten der Brahmszeit fest verankert gewesen sein. In der Instrumentalmusik wurden oft Szenen und Charaktere erblickt. Ganz besonders auch im dritten Satz dieser Sonate, einem als Allegro passionato überschriebenen unruhigen Nachtstück im reitenden 6/8-Takt. Erst im Mittelteil bringt eine Cellokantilene etwas Ruhe ins Geschehen. Doch der eigentliche Ruhepol ist zuvor das ausdrucksvolle, innerlich bewegte Adagio affettuoso. Gezupfte Saiten und dazu ein mottoartiges Klaviermotiv eröffnen den Satz. Erst danach folgt eine zarte Melodie im Cello, die von alten Erinnerungen zu erzählen scheint, bevor der hier stark geforderte Pianist das Geschehen intensiviert. Im kurzen, aber vielschichtigen Finale herrscht hingegen eine geradezu lichte Stimmung, als wollte Brahms dieses Werk mit einem glücklichen »lieto fine« zu Ende bringen - um noch einmal die Sprache der Oper aufzugreifen. Nach dem Erfolg der Sonate blieb der erste Interpret und Widmungsträger Hausmann dem Komponisten weiterhin verbunden. So hob er an der Seite des befreundeten Geigers Joseph Joachim das Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester op. 102 im Oktober 1887 in Köln aus der Taufe und war auch bei der Uraufführung von Brahms' Klarinettentrio op. 114 im Dezember 1891 in Berlin beteiligt. Matthias Corvin [Zum Programmblatt..] [Zur Rezension..]
Stand: 24. März 2019. |
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