Jülicher Schlosskonzerte©

 

Klassische Kammermusik im historischen Ambiente  - seit 1979

 

 

Saisoneröffnung mit dem Streichquartett "simply quartet" am Sonntag, 15. September 2024

um 20 Uhr in der Schlosskapelle

 

 

3. Oktober 2023

 

Altera Pars

Ensemble für Alte Musik

 

- gefördert durch Kulturamt der Stadt Köln -

 

 

 

Ensemble Altera Pars

Besetzung: 17 Musiker (6 Violinen, 2 Bratschen, 2 Celli, Kontrabass, 2 Flöten, 2 Hörnern, 2 Oboen).

 

„Eine lebenslange Reise“

Eine musikalische Reise in unbekannte Welten! Mit einem besonderen Symphonie-Konzert des Kölner Kammerorchesters „Altera pars“ erklingen wiederentdeckte Werke europäischer Komponisten aus ukrainischen Archiven.

Die Musiker des Ensembles für Alte Musik „Altera Pars“ (zu Deutsch: Andere Seite) kommen aus Deutschland, Holland, Spanien, USA, Japan, Österreich, Russland und Ungarn und sind nicht nur führende Solisten europäischer Orchester auf historischen Instrumenten, sondern auch musikwissenschaftlich tätig. Das Credo des Ensembles ist die Erforschung und Aufführung verlorener oder vergessener Werke von Komponisten des 18. - 19. Jahrhunderts.

Entsprechend findet viel Vorarbeit in Archiven und Manuskriptstudium statt. In den vier Jahren seit seiner Gründung hat das Ensemble bereits 2 CDs mit Ersteinspielungen produziert, eine viel gelobte Konzertreihe im Oldenburger Schloss initiiert und zahlreiche Konzerte u.a. beim renommierten Festival in Estland, Österreich, den Niederlanden und Deutschland gegeben. Seit 2020 ist der Hauptsitz des Ensembles in Köln.

 

 


 

Das Programm

 

 

Sebastian George

(ca.1740 – 1796)

Sinfonie in F-Dur für 2 fl, 2 cor, str

(Moskau, ca. 1775)

 

Sebastian George

Sinfonia concertante in D-Dur

für 2 Violino principali, 2 Fl oblig, Violoncello, Alto Obligati und Orchester

(Moskau, ca 1775)

 

Sebastian George

Quartett  für Flöte, Violine, Violoncello und Bass in B-Dur

(Moskau, ca 1770)

 

Sebastian George

Streichquartett in d-moll

(Moskau, ca 1770)

 

 

Arnošt Vančura

(1750 – 1802)

„Ukrainische“ Sinfonie in C-Dur, op 1 Nr. 1

Rekonstruktion von der erste Version 1784. (Moscau-St.Petersburg)

 


Zum Programm

 

Der in Mainz geborene Sebastian George (ca.1740 – 1796) übersiedelte ca. 1766 nach Moskau. In den frühen 1770er Jahren verbanden ihn seine Aufgaben als Kapellmeister mit der Moskauer Universität und den Privatkapellen der Sheremetevs und Razumovskys. Er betätigte sich auch als Kaufmann und leitete 1776-79 in St. Petersburg ein Musikgeschäft, das Noten, verschiedene Musikinstrumente und ... Wein verkaufte! 1783 verließ die Familie Georges Russland; der genaue Weg ihrer Reise ist nicht bekannt, aber 1790 war die Tochter des Komponisten in Karlsruhe und hat dort Glasharmonika-Spiel bei Kapellmeister Schmittbaur gelernt.

Für die Wiederentdeckung der Musik von George war es ganz wesentlich, dass Larisa Ivchenko, die Leiterin der Musikabteilung der Wernadskyi-Nationalbibliotek der Ukraine in Kiew,  im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten einen Katalog der Sammlung des Grafen Razumovsky veröffentlichte. Dieser Katalog listet zwar insgesamt zehn George-Sinfonien für verschiedene Orchesterbesetzungen auf. Doch nur noch zwei davon wurden im Bibliotheksbestand in Form von handschriftlichen Orchesterstimmen gefunden. Beide Sinfonien sprechen von der Meisterschaft des Komponisten in der klassischen Orchestrierung, einem brillanten Verständnis dafür, wie und warum man Orchestermusik komponiert.

Außerdem konnten die Manuskripte einer Konzertsinfonie für 6 Soloinstrumente und Orchester sowie ein Streichquartett, ein Quartett (Fl, Vl, Vc, Bass) und ein Quintett (2 Fl, 2 Vl, Bass) gerettet werden.

Das Programm des Konzerts umfasst gleich 4 Werke des Komponisten. Voller Anmut und Schwung steht die Orchestersinfonie in F-Dur stilistisch nah an Haydns Sinfonien, folgt jedoch der dreiteiligen italienischen Zyklusstruktur ohne Menuett. Ein Merkmal der Orchestrierung sind die kontrastierenden Soli zweier Flöten im Echo mit dem Tutti des Orchesters. Vermutlich wurde die Symphonie für die Feierlichkeiten der Moskauer Universität geschrieben und konnte von deren Studenten aufgeführt werden, zumal der Unterricht der Traversflöte bei den Studenten besonders beliebt war. Teilweise gilt dies auch für die Konzertsinfonie in D-Dur für sechs Solisten: zwei Flöten, zwei Violinen, Bratsche und Cello, begleitet von Streichern und zwei Hörnern ad libitum. Ihre Form ist etwas untypisch – die Sätze werden ohne Unterbrechung aufgeführt und gehen ineinander über.

Das umfangreiche Kammermusikerbe von George wird im Konzert durch zwei Quartette repräsentiert. Das Streichquartett ist in dramatischem d-moll geschrieben und steht stilistisch dem Sturm und Drang nahe; sein langsamer Teil erinnert an C.P.E. Bachs Streichersinfonien und nimmt teilweise Schuberts Stil vorweg. Das zweite Quartett wurde für eine originelle Instrumentenbesetzung geschrieben – Flöte, Violine, obligates Solocello und Bass. Dieses Werk entstand wahrscheinlich im Auftrag eines Moskauer Cellisten, dem aus Wien stammenden Michail Ekkel. Die Freiheit der Melodielinien der Soloinstrumente kann nur Bewunderung hervorrufen.

 

Der zweite Komponist unseres Konzerts, der böhmische Baron Arnošt Vančura bzw. Ernst Wanzhura (ca.1750 - 1802), war mit George persönlich bekannt, sein Schicksal als Komponist war jedoch ein anderes. Wanzura interessierte sich schon in jungen Jahren für Musik und hat wahrscheinlich autodidaktisch Klavierspiel gelernt. Er lernte an einem tschechischen Kollegium, wo Musik schon immer als angesehenes und notwendiges Fach galt. Nachdem Wanzhura zum Korporal der österreichischen Armee aufgestiegen war, beschloss er sich zurückzuziehen und sich dem Musiktheater zu widmen. 1779 kam er dank der Protektion von Graf Semyon Zorich, eines Günstlings Katharinas II., nach Russland und wurde Direktor dessen Privattheaters in Schklov. Dort wurde selbst die Kaiserin 1780 auf Wanzhura aufmerksam und der Musiker machte eine schwindelerregende Karriere am Hof ​​und wurde Unterdirektor der Direktion des kaiserlichen Theaters. Jacob von Staehlin bezeichnete ihn 1782 als einen Mann mit „außergewöhnlichen Talenten in Musik und Theater“. Wanzhura komponierte viel: u.a. erhielt er 1787 den Auftrag für die fabelhafte Oper „Akhrideich“ nach dem Libretto von Katharina selbst.

Er interessierte sich aber auch für Instrumentalmusik. So schrieb er mindestens 6 Sinfonien. Drei davon wurden 1798 als „Nationalsinfonien“ mit russischen, ukrainischen und polnischen Liedern veröffentlicht. Später überarbeitete, aktualisierte und orchestrierte Wanzhura seine Sinfonien wiederholt. Es ist uns gelungen, eine frühe Version der ukrainischen Sinfonie zu finden und ihre ursprüngliche Orchestrierung zu rekonstruieren. Eine frühe Version im Klavierauszug wurde von Wanzhura selbst im sogenannten „Journal de Clavecin“ (einer vom Komponisten selbst herausgegebenen Monatszeitschrift, die ebenfalls in der Nationalbibliothek der Ukraine aufbewahrt wird) veröffentlicht. Die ursprüngliche Orchestrierung des ersten Satzes wurde bekannt durch die Ouvertüre zur berühmten russischen komischen Oper „Heiratsvermittler“; der zweite und dritte Teil wurde nach der Fassung von 1798 und dem Klavierauszug des Autors rekonstruiert. In der Sinfonie verwendet und bearbeitet Wanzhura originale Volkslieder. Seine Liebe zu diesen ist in seinem kompletten Oeuvre erkennbar.

Wanzhura war einer der exzentrischsten Musiker der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sein Werdegang – vom Offizier im österreichischen Bundesheer bis in den engeren Kreis von Kaiserin Katharina II. Der ursprünglich böhmische Wanzhura war musikalisch begabt und zeigte sich als nicht trivialer Komponist. Zu unserem großen Bedauern verschwanden viele seiner Kompositionen spurlos, und diejenigen, die überlebten, erforderten besonders sorgfältige Arbeit, um die Originalpartituren wiederherzustellen. Als bemerkenswert in seiner Musik gilt die breite Verwendung von Original-Volksliedern. Sie begegnen sich im Zyklus der Nationalsymphonien. Wanzhura gelang es Ende des 18. Jahrhunderts russische, ukrainische und polnische Volksliedelemente im Rahmen dreier klassischer Symphonien organisch zu verbinden.

Seine „Ukrainische Symphonie“ wurde 1790 von Wanzhura auch in Form eines Klavierauszugs veröffentlicht, aber er kündigte ihre Veröffentlichung bereits 1785 an. Das Orchestermaterial der frühen Fassung ist nicht erhalten, aber der erste Teil der Sinfonie ist in der ursprünglichen Bearbeitung und mit der Originalmusik in Form der Ouvertüre zu Oper „Der Müller – der Zauberer, der Betrüger und der Heiratsvermittler“ überliefert. Dadurch wurde die Restaurierung des ersten Teils vereinfacht und die Rekonstruktion des zweiten und dritten Teils wurde auf der Grundlage aller vorhandenen Quellen durchgeführt. Die Symphonie basiert stark auf ukrainischer Volksmusik so, dass sie als ein Meilenstein in der Geschichte der ukrainischen Klassischen Musik gilt.

1983 wurde das gesamte Werk der "Nationalen Symphonien" in Kiew veröffentlicht und 1985 vom Dirigenten Nikonenko auf einer Schallplatte aufgenommen. Die Nationalen Symphonien wurden jedoch nie auf historischen Instrumenten gespielt. Mit Ausnahme der „Pratum Integrum“-Aufnahme einer frühen Version der Russischen Symphonie. Für unser Projekt haben wir die Partitur der „Polnischen Symphonie“ und „Ukrainischen Symphonie“ neu erstellt, so wie sie den modernen Anforderungen an die Veröffentlichung von Originalmusiktexten entspricht, und versucht, alle Merkmale von Wanzhuras Notation und Orchestrierung sorgfältig zu bewahren.

 

Fünf Werke in diesem Programm – nur ein kleiner Ausschnitt all des Wertvollen, was in den letzten Jahren entdeckt wurde. Daher hoffen wir sehr, dass das Interesse am Erbe emigrierter Komponisten auch in Zukunft nicht nachlässt und wir neue Orchester- und Kammerkompositionen wiederbeleben können.

(Pavel Serbin)

 

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Stand: 19. Dezember 2023.