Jülicher Schlosskonzerte©

 

Klassische Kammermusik im historischen Ambiente  - seit 1979

 

 

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Ein Klavierabend mit Alexander Krichel findet am Sonntag, 28. April 2024

um 20 Uhr in der Schlosskapelle statt

 

 

10. Oktober 2010

Amaryllis Quartett plus

 

 

Das Programm

 

Anton Webern

Fünf Sätze für Streichquartett op. 5

Robert Schumann

Streichquartett a-moll op. 41/1

*****

Franz Schubert

Oktett F-Dur D 803 op. post. 166

 


Die Interpreten

Gustav Frielinghaus, Violine 

Lena Wirth, Violine

Lena Eckels, Viola

Yves Sandoz, Violoncello

*****

Alexandra Hengstebeck, Kontrabass

Christoph Eß, Horn

Markus Krusche, Klarinette

Daniel Mohrmann, Fagott

 


 

Zum Programm

 

Anton Webern gehört, neben Alban Berg und dem Lehrer von beiden, Arnold Schönberg, zum engeren Kreis der „Zweiten Wiener Schule“. Wie bei Schönberg entwickelte sich sein Kompositionsstil nach spätromantischen Anfängen zunächst zur freien Atonalität - mit der er einer der Hauptvertreter des musikalischen Expressionismus wurde - und später zur reihengebundenen Atonalität der Zwölftontechnik. Mit seiner Anbindung rhythmischer, dynamischer und klanglicher Elemente an die Reihenstruktur beeinflusste er nach 1950 wesentlich die Entwicklung der seriellen Kompositionstechnik, z.B. von Stockhausen, Boulez und Nono. Diesen Erfolg hat er jedoch nicht mehr erlebt: Als er vor 65 Jahren, am 15. 9.1945, in Mittersill bei Zell am See während der abendlichen Ausgangssperre zum Rauchen vor die Haustür ging, wurde er von einem amerikanischen Soldaten (unbeabsichtigt) erschossen.

Die 1909 komponierten fünf Streichquartettsätze op. 5 waren das erste konsequent atonale Werk Weberns. Extreme Kürze und motivische Verdichtung kennzeichnen die Sätze. Die Spielzeit des Werkes beträgt insgesamt nur 8 Minuten, wobei der dritte Satz nicht einmal 40 Sekunden dauert. Mit ständigem Wechsel zwischen verschiedenen Spieltechniken werden die klanglichen Möglichkeiten der Streichinstrumente voll ausgeschöpft. Nur im Eröffnungssatz ist noch, wenn auch äußerst komprimiert, die klassische Sonatenform mit Haupt- und Seitenthemen, Durchführung und Reprise, erkennbar. Ein kurzes heftiges Aufbäumen gefolgt von resigniertem Zurücksinken als Hauptthema kontrastiert mit einer sanften Motivkette als Seitenthema. Die folgenden Sätze sind ausdrucksstarke Klangfarbenbilder, vorwiegend in zarten Tönen, wie die detaillierten Anweisungen des Komponisten darin zeigen: „mit zartestem Ausdruck“; „sehr zart“ …; „äußerst zart“ …; „äußerst ruhig“, … dann, nach einem lauten Seufzer, … „verlöschend“.

Schumann durchlief mehrere Schaffensphasen, in denen er sich jeweils fast ausschließlich mit einer bestimmten Werkgattung beschäftigte. So schrieb er von 1828 bis 1839 fast nur Klaviermusik. Es folgte als zweite Periode die durch seine Eheschließung mit Clara angeregte erste Reifephase seiner Liedkompositionen. 1841 konzentrierte sich Schumann auf Orchesterwerke. 1842 war sein großes Jahr der Kammermusik, in dem er seine Streichquartette op. 41/1-3, sein Klavierquintett op. 44 und sein Klavierquartett op. 47 komponierte. Mit dem ersten dieser Höhepunkte der romantischen Kammermusik, op. 41/1, soll Schumann in diesem Konzert zu seinem 200. Geburtsjahr unsere Reverenz erwiesen werden.

Schumann hat seine drei Streichquartette seinem Freund Mendelssohn gewidmet, womit er dessen Rückbesinnung auf die Klassik würdigte. Er selbst hatte die Streichquartette Haydns, Mozarts und Beethovens gründlich studiert, bevor er es 1842 wagte, eigene zu komponieren. In diesen bemühte er sich, die klassischen Vorbilder im Sinne seiner poetischen Musikvorstellung weiter zu entwickeln.

Der erste Satz des hier vorgestellten Streichquartetts op. 41/1 beginnt mit einer langsamen polyphonen Einleitung, die an einen sakralen Bittgesang erinnert. Ein viertaktiger, scharf akzentuierter Aufschwung führt zum im 6/8-Takt schwingenden, nach F-Dur wechselnden Allegro-Teil. Die das Hauptthema bildende Motivkette wird durch ein kurzes Fugato mit dem motivisch verwandten, jedoch rhythmisch stärker akzentuierten Seitenthema verbunden. In der Durchführung werden diese Themenkomplexe kunstvoll verarbeitet.

Das rasante Scherzo schließt sich mit seinem, wenn auch viel schnelleren 6/8-Takt rhythmisch, aber auch motivisch an den ersten Satz an. Es beginnt leise mit dem trommelnden Begleitrhythmus seines Hauptteils, der ein lyrisches „Intermezzo“ umrahmt.

Das wieder in F-Dur gesetzte Adagio wird durch zarte Aufwärtsbewegungen der beiden Außenstimmen, zunächst des Cellos, dann, zwei Oktaven höher, der Geige, eingeleitet. Mit dessen Thema, das an den Beginn des langsamen Satzes von Beethovens 9. Sinfonie erinnert, erweist Schumann dem Meister der Wiener Klassik seine Reverenz. Mit einer Rückkehr zu den einleitenden Takten verklingt der Satz.

Drei markante Akkorde, gefolgt von abwärts führenden Figuren bilden das eindringliche Hauptthema des lebhaften Finales. Eine kontrapunktisch gestaltete Überleitung führt zu einem zweiten Thema, das der Umkehrung des ersten entspricht. Nach einem zarten, entrückt wirkenden „Moderato“ schließt der Satz mit einer stürmischen Coda.

Schubert gilt als der eigentliche Begründer der musikalischen Romantik. Er hat trotz seines kurzen Lebens in allen musikalischen Gattungen Außergewöhnliches geschaffen, und dies zeitlich nicht getrennt innerhalb bestimmter Schaffensphasen wie Schumann, sondern parallel.

Seine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk Beethovens, dessen Genie er für unerreichbar hielt, führte Schubert ab etwa 1817 in eine Schaffenskrise, von der zahlreiche unvollendete Werke zeugen. 1824 scheint er die Krise überwunden zu haben: Er arbeitete intensiv an mehreren Kammermusikwerken, u.a. an seinem Oktett. Mit diesem Werk wollte er sich, nach bereits sechs vollendeten Symphonien und der „Unvollendeten“, noch einmal „ … den Weg zur großen Symphonie bahnen“  - konkret zur (1825 oder 1826 komponierten) „großen C-Dur Symphonie“ (Nr. 8). Das erklärt den symphonischen Charakter des Oktetts - aber auch, warum diese Perle der Kammermusik relativ selten aufgeführt wird.

Schubert hat sich bei seinem Oktett am Septett, op. 20, Beethovens orientiert, hat aber die genial realisierte Idee seines großen Vorbildes, den unterhaltsamen Charakter der Serenade mit den klassischen Formen zu verbinden, in fast jeder Hinsicht erweitert. So hat er mit der Ergänzung des Septetts durch eine zweite Geige die dynamische Balance zwischen Streichern und Bläsern verbessert und den Klangcharakter des Ensembles weiter in Richtung Orchester verschoben. Auch den Serenadencharakter hat er, vor allem in den beiden Ecksätzen und im Adagio, in der für ihn typischen Weise romantisch beseelt und sinfonisch dramatisiert.

Die langsame Einleitung zum Kopfsatz beginnt mit einem kräftigen Unisono des Grundtons F, der - abklingend - von den Bläsern und dem Kontrabass über vier lange Takte gehalten wird, während das Streichquartett leise das rhythmisch pochende Grundmotiv vorstellt, dessen punktierte Achtelfiguren nicht nur das nachfolgende Allegro prägen, sondern auch die weiteren Sätze motivisch miteinander verbinden.

Die Klarinette eröffnet das ins tiefere B-Dur getauchte, im 6/8-Takt sanft schwingende Adagio, dessen Melodienseligkeit im Wechselspiel der Instrumente weitergesponnen wird, bis diese, nach einer kurzen Stimmungstrübung, von der Klarinette beendet wird.

Der 3. Satz hat den Charakter eines Scherzos, dessen Hauptteil durch einen hüpfend punktierten Rhythmus geprägt ist, während eine wiegende Melodie in der Art eines Ländlers seinen Mittelteil, ein Trio in C-Dur, bestimmt. Beruhigend wirken danach die sieben abwechslungsreichen Variationen über ein liedhaftes Thema, die mit einer zarten Coda enden. Es folgt ein spielerisch lockeres Menuett, dessen Thema wieder die charakteristisch punktierten Achtelfiguren aufgreift.

Eine bedrohlich düstere, durch extreme Dynamik und scharfe Punktierungen geprägte Einleitung in f-moll sorgt für einen wirkungsvollen Kontrast zum sich anschließenden spielerisch unbekümmerten Hauptteil des Schlusssatzes, der als konzertant-virtuoses Rondo im alla-breve-Takt angelegt ist. Eine kurze Erinnerung an die düstere Einleitung wird durch die stürmische Abschluss­Stretta hinweggewischt.

 


 

Zu den Interpreten

 

Das junge deutsch-schweizerische Amaryllis Quartett mit Gustav Frielinghaus und Lena Wirth (Violinen), Lena Eckels (Viola) und Yves Sandoz (Violoncello) wurde in Basel von Walter Levin, dem Primarius des La Salle Quartetts, und in Köln vom Alban Berg Quartett ausgebildet. Nach mehreren vorangehenden nationalen und internationalen Preisen gewann das Ensemble 2009 den Wettbewerb des „Deutschen Musikrates“, als dessen Stipendiat es in diesem Konzert auftritt. Am Mittwoch vor seinem Konzert in der Jülicher Schlosskapelle wurde ihm in Münster der Förderpreis des Landes NRW verliehen. Es ist in zahlreichen, zum Teil von Rundfunksendern übertragenen Konzerten mit großem Erfolg aufgetreten. So hat das Amaryllis Quartett die Streichquartettsätze von Anton Webern, die es hier spielt, vor einiger Zeit in der Sendereihe „50 Meisterwerke“ des Südwestdeutschen Rundfunk vorgestellt.

Auch die zur Aufführung von Schuberts Oktett benötigten zusätzlichen Musiker, Alexandra Hengstebeck (Kontrabass), Markus Krusche (Klarinette), Daniel Mohrmann (Fagott) und Christoph Eß (Horn) sind Preisträger renommierter Wettbewerbe und Stipendiaten bedeutender Stiftungen, darunter des „Deutschen Musikrates“. Alle sind in zahlreichen Konzerten solistisch, kammermusikalisch und in Orchestern erfolgreich aufgetreten. Alexandra Hengstebeck und Christoph Eß sind zurzeit bei den Bamberger Symphoniker engagiert. Der ARD-Preisträger Christoph Eß hat das Publikum der Schlosskonzerte bereits beim vorangehenden Konzert mit seinem außergewöhnlichen Können beeindruckt.

 

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Stand: 13. Oktober 2010.